Kurt Frank                                           KF_passfoto

Einer der Stillen 

 

Es muß gut 20 Jahre her sein, daß ich ihn zum erstenmal sah - bei einer Kunstausstellung in Hilzingen. Kurt saß am Tisch, allein, sein Bier vor sich, die unvermeidliche Gaulloise in der Hand, schweigend, in sich gekehrt wie eine jener Figuren, die der frühe Paul Klee radiert hat. Wir sind uns danach immer wieder begegnet. Fast immer spielte der Tuttlinger Bildhauer Roland Martin eine Rolle, Kurts wohl ältester Freund und Weggefährte. Beide waren sie nach dem Krieg auf dem Bernstein, beide haben sie die finanzielle und soziale Armseligkeit des Künstlerdaseins in den ersten Nachkriegsjahren erlebt und erlitten. Das verbindet ein Leben lang. Im Herbst 1995, als wir in Bologna Giorgio Morandis wunderbar stille Bilder sahen und in Grizzana auf den Höhen des Apennins, wo er in den Sommern malte, seinem Genius loci nachspürten, schrieb ich an Kurt und seine Frau Hanne eine fröhliche Ansichtskarte, weil er mich an den großen Magier und Einzelgänger aus der Emilia Romagna erinnerte. Wir ahnten nicht, daß Kurt da schon im Koma lag. Kaum zu Hause, kam Hannes trauriger Anruf: Er ist tot. Kannst du bei der Beerdigung etwas sagen?

 

Es war eine stille Beerdigung, so wie er sie sich wohl gewünscht hätte. Familienangehörige, wenige Freunde. Der Tote aufgebahrt über der Gruft der Bischöfe von Rottenburg in der stillen Kapelle des uralten, schon von den Römern genutzten Friedhofs. Kurze Nachrufe in einigen Tageszeitungen und im Radio. Kurt Frank war keiner, der sich auf die Kunst des sich öffentlich Vermarktens verstanden hat. Anbiederung, Opportunismus waren ihm zuwider. Eher auf einen Auftrag ganz verzichten als sich dem Auftraggeber künstlerisch unterordnen. Wie der Eremit Morandi hat er die stoische Kultur der Seelenruhe für sich entdeckt. Etwas Mönchisches war ihm eigen - bei aller Freude, ja Lust am fröhlichen Zechen mit Freunden und Kollegen. Unvergeßlich die Stunden bei Franks am großen Tisch im stillen Rottenburger Haus. Das war so etwas wie ereignisloses Glück, sich selbst genügen, Bedürfnislosigkeit, Bescheidenheit. Das, denke ich, müssen ostasiatische Mönche mit dem Wort "Leere ist Fülle" gemeint haben.

 

Ja, so ist er gewesen: großer Schweiger, in sich selbst versunken, sich selbst genügend. In einem kleinen Katalog, den die Stuttgarter Galerie Lutz 1977 aus Anlaß einer Frank-Ausstellung publizierte, lesen wir über seine Vita knappe vier Zeilen:

 

1928 in Tübingen geboren

1947-1950 Bemsteinschule

Akademie Freiburg

lebt in Tübingen.

 

Je mehr ich heute über ihn nachdenke, um so mehr erkenne ich, wie wenig ich, wie wohl alle seine Freunde und Kollegen. über ihn wissen. Ihm und seinem Werk, das in Jahrzehnten gewachsen ist von den erdfarbenen Bernstein-Bildern und den späteren Sandbildern bis zu den Prägungen und Lackbildern und das einen schier überwältigt durch die Fülle seiner Funde und Erfindungen - ihm gerecht zu werden, fällt schwer und ist mit Worten kaum möglich. Wie viele der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsgeneration im deutschen Südwesten, zu denen er ohne Zweifel zählt, mag man Kurt Frank zwischen Informel und Konstruktivismus einordnen, jedenfalls der Konkreten Kunst zugehörig. Wer genau hinschaut, erkennt, daß es in seinem Werk kaum Brüche gibt - bei aller Neigung zum Experiment mit den unterschiedlichsten Materialien und Ausdrucksformen. Auch darin unterscheidet er sich wohltuend von anderen Künstlern seiner Generation, auch mancher Bernsteinschüler. ,,Moden" machte er kaum mit, es sei denn, er konnte daraus eigenes entwickeln.

 

Wir gehen auch heute noch täglich mit ihm und seiner existentiellen Kunst um. Über dem Fernseher hängt ein Bild von ihm. Eine Arbeit auf Papier, gefaltet, erdfarben, gräulich, perforiert mit einem Werkzeug, das er im Jahre 1980 als künstlerisches Ausdrucksmittel erfunden hat. Eine Metapher für Verletzung, ein Memento mori, permanente Erinnerung an die Vergänglichkeit allen Seins. Günther Wirth zitierte in diesem Zusammenhang einmal den Philosophen 1 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, wonach das reine Sein und das Nichtsein dasselbe seien. Mir fällt angesichts unseres Frank-Bildes eher der katholische Priester ein, der den Gläubigen zu Beginn der Fastenzeit Asche aufs Büßerhaupt streut und ihnen zuruft: Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und zum Staub zurück kehren wirst. ... Vielleicht ist es dasselbe, was Hegel meint.

 

In seinen Bildern jedenfalls wird Kurt Frank lange fortleben. 

 

Siegfried Kasseckert

 

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